fbpx
close

soloshow @Uxval Gochez Gallery | Barcelona

Wir kennen ihn alle, den Traum vom weißen Sandstrand, türkisfarbenem Meer und tropischen Palmen. Auch im Alltag, abseits vom Urlaub, scheinen wir ständig auf der Suche zu sein – nach dem vermeintlichen Paradies, unvergesslichen Erlebnissen oder dem perfekten Moment.

text
forever YOUNG - deutsche Version
Paradise Lost?

“I still believe in paradise. But now at least I know it’s not some place you can look for. Because it’s not where you go. It’s how you feel for a moment in your life when you’re a part of something. And if you find that moment, it lasts forever.”
– Richard Fischer, The Beach, 2000.

Wir kennen ihn alle, den Traum vom weißen Sandstrand, türkisfarbenem Meer und tropischen Palmen. Auch im Alltag, abseits vom Urlaub, scheinen wir ständig auf der Suche zu sein – nach dem vermeintlichen Paradies, unvergesslichen Erlebnissen oder dem perfekten Moment. Der digitale Raum verstärkt unsere Sehnsüchte: In einer weichgezeichneten Filter-Welt sind wir alle forever young, haben gebräunte Haut, keine Falten und einen leichten Schwips. Der Gedanke an ein Leben in ewiger Jugend klingt süß und verlockend. Die Werbeindustrie macht sich dieses Verlangen schon seit Jahrzehnten zunutze: Kauf diese Creme, sie lässt dich strahlen. Mach diese Übung, sie strafft deine Haut! Cellulite, Haare, Falten? Weg damit! Doch an irgendeinem Punkt verschwimmen unsere Träume und Wunschvorstellungen mit der harten Realität. Die Erwartung, man könne irgendwie die Zeit anhalten, im Jetzt verharren, ist so omnipräsent wie illusorisch. In Wahrheit ist niemand forever young. Und so steckt hinter unseren utopischen Ewigkeitsfantasien stets eine unheilverkündende Endlichkeit. In ihrer Einzelausstellung „forever YOUNG“ in der Uvxal Gochez Gallery bildet Katharina diese Ambiguität eindrücklich ab.

Pink, Gelb und Blau scheinen die Grundfarben des Lebensgefühls zu sein, das die Künstlerin festhält. Ihre Arbeiten in knalligem Neon erinnern an die Leuchtreklamen-Ästhetik der Küstenstadt Miami. Auf den ersten Blick vermittelt das reduzierte Vokabular in Arndts Malerei einen süß-naiven Positivismus, der den Szenarien aus der eigenen Filterblase gleicht. In einem zuckerwatte-rosé-farbenen Raum joggt eine schlanke Frau am Strand. Den Drink in der Hand, die Sonne im Gesicht, Beine hoch, Brüste raus, breites Lächeln, blitzende Zähne. Happiness all over. Auf Instagram sieht diese verheißungsvolle Scheinwelt nach Unbeschwertheit und Laissez-faire aus. Der perfekte Summer Body scheint lediglich einen Klick entfernt, nur ein Like trennt uns vom Urlaub an der Copacabana. Wir lieben Massenkonsum, wir lieben den Überfluss. Ironisch ersetzt Katharina Arndt die Markennamen in ihren Bildern durch das Wort „Logo“ – aber wir kennen sie alle, die Labels, um die es geht. Happy people tragen Markenklamotten und Designerschuhe. Sie glätten ihre Haare und rasieren ihre Gliedmaßen. Alles, um einem Idealbild zu entsprechen und sich möglichst makellos zu machen. Katharina Arndt visualisiert eindrücklich die ausgelutschte Verklärung eines Lebensgefühls, das in Wahrheit niemals erreicht werden kann.

Arndts Arbeiten entstehen aus ihrer Beobachtungsperspektive heraus. Die Künstlerin blickt hinter den perfekten Schein und hält das, was sie dort findet, ungeschönt fest: Mit Markern und Acrylfarbe bringt sie teilweise lebensgroße Figuren auf Lackfolie. Ihre schnelle, rotzige Malweise stellt einen Bruch zur vermeintlichen Leichtigkeit der Motive dar. Auch motivisch eröffnet Arndt ein Spannungsfeld zwischen Künstlichkeit und Spaßgesellschaft – neben rosaroter Brille kommen peu à peu auch die Schattenseiten zum Vorschein. Hier ist das Grinsen einen Tick zu breit, dort lässt die Zimmerpflanze den Kopf hängen. Der Traumstrand ist übersät mit Bierdosen, der Kaffee ist längst übergekocht. In jeder manikürten Hand glimmt ein Smartphone und der Himmel ist wolkenverhangen. Im artifiziellen Oberlicht der Galerie kippelt das vermeintliche Idyll. Einige der Zigarettenstummel wachsen über das Bildmedium hinaus, verteilen sich auf die Galeriewand und verdeutlichen so den Einzug der Realität. Die über allem schwebende Endlichkeit lässt Arndts Momentaufnahmen, kühle Drinks und saftige Wassermelone, zur Natura morta werden. Wie in einem Stillleben verheißen schwirrende Fliegen ein jähes Ende des Ist-Zustands. Und während das mit Sehnsucht verknüpfte Flugzeug in Flammen aufgeht, schwingt die Enttäuschung darüber mit, dass viele unserer Erwartungen nicht eintreten werden. Die Angst vor dem inneren und äußeren Verfall und der Wunsch nach ewiger Jugend laufen parallel. Und so sind wir ständig versucht, der eigenen Vergänglichkeit zu entfliehen.

Das Digitale bietet einen optimalen Ausweg aus diesem Dilemma: Auf Instagram jagen wir offenen Auges einer Scheinwelt hinterher und lassen uns von ihr verführen. Das konstruierte Leben auf unseren Bildschirmen formt unsere eigenen Sehnsüchte: Es muss immer noch ein bisschen besser sein, das Meer blauer, der Strand weißer. In den Sozialen Medien ist die Selbstdarstellung, das angeguckt werden und angucken, Gang und Gäbe. Arndts Protagonistinnen erwecken den Eindruck, als würden sie diesen wechselseitigen Voyeurismus genießen. Etwas, das sie alle gemeinsam zu haben scheinen, ist ihre Gelassenheit. Die luxuriösen Diven, sportlichen jungen Frauen und frechen Teens legen eine gewisse Egal-Haltung an den Tag: Sie rauchen, sie trinken viel und gerne, sie tun all das, was ihnen gefällt. Allesamt wirken sie in sich ruhend, bei sich und mit sich. Während sie in den Tiefen ihres Smartphones oder ihres Cocktailglases versinken, schwingt stets eine gewisse Leichtigkeit und Unbekümmertheit mit.

Sowohl inhaltlich als auch materiell manifestiert sich die Oberfläche in der gesamten Ausstellung. Das Artifiziell-Triviale überträgt Arndt direkt in ihre Malerei. Die schimmernde Oberfläche des Lackstoffs visualisiert effektvoll, wie widerstandslos wir uns unseren Sehnsüchten hingeben. Unser Leben ist auf Hochglanz getrimmt: Mit haarlosen Körperteilen gleiten wir sanft über das Smartphone-Display, die Sonnenbrille funkelt mit dem Campari-Glas um die Wette, life is easy. Doch obwohl das Glatte wunderbar als Metapher für Leichtigkeit herhält, erscheint es doch gleichzeitig oft oberflächlich und konformistisch.

In einer immer stärker vom Atheismus geprägten Gesellschaft fehlt uns die Hoffnung auf das Paradies am Ende des Lebens. Große Torschlusspanik und ein unstillbarer Wunsch nach Party, Glück, Reichtum und Sex – Leben! – sind die Folge. Geduldig passen wir uns Schönheits-Kults an, die mit exzessivem Konsum einhergehen und werden am Ende mit einem Like belohnt. Statt an das Göttliche glauben wir an Lust und Genuss, sinnliche Erfüllung und unendliches Vergnügen. Arndts Arbeiten sind Szenen des Hedonismus, blinkend und bunt. Wie Voyeure können wir den Protagonistinnen dabei zusehen, wie sie ihren Alltag gestalten. Aber wie steht es um uns?

Katharina Arndt visualisiert hochgradig sensibel die Zerrissenheit zwischen Vernunft und Fantasie, Coolness und Anxiety und unsere ewige Suche nach dem perfekten Moment, der für immer währt. Das Paradies ist nicht verloren, wir müssen es uns nur hier auf Erden gestalten. Also bitte noch einen Drink!

Julia Meyer-Brehm

forever YOUNG - english version
Paradise Lost?

“I still believe in paradise. But now at least I know that it’s not some place you can look for. Because it’s not where you go. It’s how you feel for a moment in your life when you are a part of something. And if you find that moment, it lasts forever. “
– Richard Fischer, The Beach, 2000.

We all know it, the dream of a white sandy beach, a turquoise sea and tropical palm trees. Even in everyday life, apart from vacation, we seem to be constantly on the hunt for the alleged paradise, unforgettable experiences or the perfect moment. The digital space reinforces our longings: In a soft filter world, we are all forever young, have tanned skin, no wrinkles and a slight buzz. The thought of living in eternal youth sounds sweet and tempting. The advertising industry has been taking advantage of this desire for decades: Buy this cream, it will make you shine. Do this exercise, it will tighten your skin! Cellulite, hair, wrinkles? Get rid of it! But at some point, our dreams and desires become blurred with the harsh reality. The idea that one may somehow freeze time and stay in the present moment is as pervasive as it is illusory. In reality, nobody is forever young. And so there is always foreboding finitude behind our utopian fantasies of eternity. In her solo exhibition „forever YOUNG“ in the Uvxal Gochez Gallery, Katharina Arndt earnestly depicts this ambiguity.

Pink, yellow and blue seem to be the basic colours of the attitude to life that the artist captures. Her works in bright neon evoke the neon advertising aesthetic of the coastal city of Miami. At first glance, the reduced vocabulary in Arndt‘s painting conveys sweet, naive positivism that resembles the scenarios from their own filter bubble. A slim woman is jogging on the beach in a candy-pink-coloured room. With a drink in hand, the sun on her face, legs up, breasts out, big smile, sparkling teeth. Happiness all over. On Instagram, this promising world of appearance is like a light-heartedness and laissez-faire. The perfect summer body seems just a click away, only a like separates us from a vacation on Copacabana. We love mass consumption, we love abundance. Katharina Arndt ironically replaces the brand names in her pictures with the word „logo“ — but we all know them, the labels they are talking about. Happy people wear branded clothes and designer shoes. They straighten their hair and shave their limbs. It‘s all about conforming to a perfect image and making oneself look faultless. Katharina Arndt captures the exhausting exaltation of a life philosophy that can never be realised in reality.

Arndt‘s works arise from her perspective of observation. While looking for the ideal appearance, the artist occasionally creates life-size figures on lacquer foil using markers and acrylic paint. Her quick, snotty style of the painting represents a break from the supposed lightness of the motifs. In terms of motifs, Arndt also opens up a field of tension between artificiality and a fun society — in addition to rose-coloured spectacles, the darker sides also gradually come to light. Here the grin is a tad too wide, there the houseplant droops its head. The dream beach is littered with beer cans, and the coffee is already overboiling before its time. A smartphone glows in every manicured hand and the sky is cloudy. The alleged idyll wobbles in the gallery‘s artificial skylight. Some of the cigarette butts extend beyond the medium of the painting and onto the gallery wall, illustrating the inclusion of reality. The finitude floating above everything turns Arndt‘s snapshots, cool drinks and juicy watermelon into a deadened form of nature. Buzzing flies, like in a still life, foreshadow a quick end to the current condition. As the plane associated with longing goes up in flames, the disappointment resonates of our many expectations will not materialise. The fear of internal and external decay and the desire for an eternal parallel run at youth. As such we are constantly tempted to escape our own impermanence.

The digital offers an optimal way out of this dilemma: On Instagram, we chase after an illusory world with open eyes and let ourselves be seduced by it. The constructed life on our screens shapes our own longings: it always has to be a little better, the sea bluer, the beach whiter. In social media, self-portrayal that is looked at again and again is commonplace. Arndt‘s protagonists give the impression that they enjoy this mutual voyeurism. Something they all seem to have in common is their serenity. The luxurious divas, sporty young women and cheeky teens display a certain indifference: They smoke, they drink a lot and they do everything they like. All of them have a calming effect on themselves, by themselves and
with themselves. As they sink into the depths of their smartphone or their cocktail glass, there is always a certain lightness and carefree resonance.

Both in terms of content and material, the surface manifests itself in the entire exhibition. Arndt transfers the artificially trivial directly into her painting. The shimmering surface of the varnish effectively visualises how easily we indulge our longings. Our life is trimmed to a shine: With hairless body parts we glide gently over the smartphone display, the sunglasses sparkle with the Campari glass, life is easy. But although the smooth serves as a wonderful metaphor for lightness, it often appears superficial and conformist at the same time.

In a society increasingly marked by atheism, we lack the hope of paradise at the end of life. Instead an intense panic at the end of the day and an insatiable desire for party, happiness, wealth and sex — life! — are the consequence. We patiently adapt to beauty cults that go hand in hand with excessive consumption and are rewarded with a like in the end. Instead of the divine, we believe in wish and pleasure, sensual fulfilment and infinite pleasure. Arndt‘s works are scenes of hedonism, flashing and colourful. Like voyeurs, we can watch the protagonists as they shape their everyday lives. But what about us?

Katharina Arndt visualises the conflict between reason and fantasy, coolness and anxiety and our eternal search for the perfect moment that lasts forever. Paradise is not lost, we just have to create it here on earth. So please have another drink!

Julia Meyer-Brehm



VIDEO TOUR

auf deutsch + english subtitles

YouTube

Mit dem Laden des Videos akzeptieren Sie die Datenschutzerklärung von YouTube.
Mehr erfahren

Video laden


INSTALLATION SHOTS

Für noch mehr Überblick schaut Euch die 3D TOUR an.
For even more orientation watch the 3D TOUR.


CATALOGUE

presentation 15.10.2021 | 7pm | Uxval Gochez Gallery.


Pricelist

Alle ausgestellten Werke vereint in einem PDF. | All exhibited artworks combined in one document.
download PDF


Duration

16.09.-30.10.2021


Location

Uvxal Gochez Gallery
Trafalgar 36
08010 Barcelona

uxvalgochez.com

Go top